FFCGN 241024 205432 Awards Foto Marvin Ruppert

Laudatio von Jan Bonny auf Udo Kier

»Wenn man hier steht, hier in Köln Mühlheim, dann muss man sich wahrscheinlich nur ein bisschen strecken und dann sieht man schon jenes Köln, in dem Udo Kier aufgewachsen ist. Das ist vielleicht das allerschönste an diesem Preis - in diesem speziellen Fall - dass er in dieser Stadt, in diesem Stadtteil verliehen wird, und dass wir damit hier unserem Staunen und unserer Bewunderung für dieses Leben Ausdruck verleihen können. Für das Leben und die Filme von Udo Kier.

Ich habe im Radio letztens einen anderen Kölner, nämlich Benedikt Taschen, gehört, der gesagt hat, dass es mal Udo Kiers große Sorge gewesen sei, dass er es am Ende seines Lebens nur von Köln Mühlheim nach Köln Ostheim geschafft haben könnte. Wie wir wissen, ist er aber bis nach Frankreich, nach England, nach Amerika gekommen, bis nach Los Angeles und noch weit darüber hinaus, in die Kinos der Nacht, die auf immer seine kaum noch zählbaren Filme spielen. 

Aber so ist das Leben vielleicht, es gibt die konkreten Orte, die Herkunft, die Straßen, die einem gehören, weil man sie von Anfang an kennt, und es gibt die Sehnsucht nach dem Anderen, dem verheissungsvoll Unklaren, das man noch nicht kennt. Hier in Köln hat Udo Kier mit Marcel Odenbach und Michael Buthe zusammen gelebt, ausgerechnet dann doch in Ostheim, und er hat der Legende nach Fassbinder in einer Kneipe am Neumarkt getroffen. Und vom Neumarkt aus ging es dann in die Welt, so leicht und elegant kann es manchmal aussehen. 

Ich vermute, die Begegnung mit der Kunst, mit den Künstlern und Künstlerinnen, mit seinen Freunden, auch mit Sigmar Polke und Rosemarie Trockel, hat für immer verändert, wie Udo Kier auf das Filmemachen gesehen hat und immer noch sieht. Von Michael Buthe ist der schöne Satz überliefert: Scheitern gehört dazu, das muss man können.

Diese Leichtigkeit, die Unabhängigkeit, die Lust am Risiko, die Udo Kiers Leben und seine Wahl der Rollen ausmachen, sind bewundernswert. You win some, you lose some. Und so hat er Filme gemacht mit Christoph Schlingensief, mit Lars von Trier, Gus van Sant und Nicolette Krebitz und vielen anderen, und wenn man an Titel wie NYPHOMANIAC oder DAS DEUTSCHE KETTENSÄGEMASSAKER denkt, dann ahnt man, dass das in dem Moment, in dem diese Filme gemacht wurden, noch nicht so klar war, wie es heute scheint, dass diese Filme Meisterwerke werden würden.

Ob als Pat Pitsenbarger in SWAN SONG oder als er selbst in DIE 120 TAGE VON BOTTROP, Udo Kier war in all seinen Rollen besonders, besonders bei sich, auch weil er anders spielte und sprach. Mit einer einer rheinischen Melodie und einer kleinen rheinischen Melancholie, mit der er immer sein eigenes Universum in seine Filme eingebracht hat. Und es wurden wirklich auch immer seine Filme. 

Diese kleine rheinische Melancholie kennt man vielleicht nur, wenn man runter an den Fluss geht. Im Frühjahr und im Herbst, wenn sich dichter Nebel über dem Rhein bildet, so wie jetzt, und mit dem Nebel: die Sehnsucht nach der weiten Welt, in die dieser Fluss fliessen wird, nach Rotterdam, nach New York, und nach Amerika, nach allem, was fern und unbekannt ist. So treibt es einen raus aus Köln in ein großes Leben. Es ist ein Leben als Gesamtkunstwerk geworden, ein Leben das der Kunst gewidmet ist, der eigenen und der Kunst der anderen, eine eigene Melodie, ein eigenes Lied.

Es freut uns sehr, dass du heute Abend wieder hier bist, herzlichen Glückwunsch zum International Actors Awards des FILM FESTIVAL COLOGNE 2024.«