Das Glück beständig in kleinen Portionen verabreicht bekommen. Oder zumindest die innere Balance auf Rezept finden. Nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie triggert diese Idee die Vorstellungskraft vieler Leute. Microdosing lautet das Zauberwort, und dafür braucht man psychedelische Substanzen, wie zum Beispiel LSD. Aber bloß nicht zu viel davon, um Horror-Trips zu vermeiden.
Weniger ist mehr, das gilt heute eben auch in Sachen Bewusstseinserweiterung. Legal erwerben kann man die halluzinogenen Mittelchen immer noch nicht, auch wenn optische Illusionen und allzu intensive Trips von den meisten zeitgenössischen Konsument:innen unerwünscht sind. Wobei zugegebenermaßen auch nicht alle diese Reglementierung für vernünftig halten …
Gesetzlich hat sich seit den 1960er Jahren jedenfalls kaum etwas geändert. Der große Unterschied: Damals galten bewusstseinserweiternde »Drogen« noch als Werkzeuge der Rebellion und als Schlüssel zum Ausstieg aus der Gesellschaft. Turn on, tune in, drop out. So formulierte es schon Lewis Carroll in seinem oft verfilmten Kinderbuchklassiker »Alice im Wunderland«.
Verzeihung, wir meinten natürlich LSD-Guru Timothy Leary. Der prägte mit dem berüchtigten Imperativsuperlativ einen der entscheidenden Slogans des psychedelischen Zeitalters. Whatever, der Weg in den Kaninchenbau beziehungsweise der Blick hinter den Spiegel der menschlichen Seele. Beides scheint bis heute eine verlockende Sache:
Gruselstorys von »Hängengebliebenen« – große weiße Hasen als Freunde auf Lebenszeit inklusive –, sind längst urban myths. Aber sie bestätigten schon LSD-Entdecker Albert Hofmann in seiner frühen Annahme: Nur geringe Dosen entfalten therapeutische Wirkung. Wie man weiß, waren dazu einige Selbsttests nötig – und Hofmann wohl auch kaum immer nur aus wissenschaftlichen Gründen high.
Die Idee des Microdosing ist demnach nicht wirklich neu, wurde aber schon einmal »neu entdeckt« – als Ansatz der pharmazeutischen Forschung. Probanden bekamen in den 1990ern Spuren von Medikamenten verabreicht, um deren Wirkung konzentriert unter die Lupe zu nehmen. Ohne unerwünschte Nebeneffekte. Wie sind sie nun in die Kreis- und Tagesabläufe aller möglichen Bereiche der schönen neuen Arbeitswelt geraten?
Na, »All the Hippies work for IBM« hieß es ja bereits in einem Eighties-Song von Joe Jackson. So schloss sich der Kreis, als die aus der Flower Power-Generation hervorgegangene Tech Elite im Silicon Valley verblasste Ideale mit jüngsten Forschungsergebnissen kreuzte. Schon ein wohldosierter Trip ins Internet erklärt mittlerweile alle Vorteile des Miscrodosing aus Sicht zeitgenössischer psychedelic drug advocates. Alles andere ist kalter Kaffee.
Dabei ist der Hut noch viel älter als wir denken. Microdosing kannten ja schon die gallischen Druiden. Selbst Overdosing-Opfer Obelix, der als kleiner Junge in einen Kessel Zaubertrank gefallen ist, bekommt irgendwann doch noch ein kleines Schlückchen von Miraculix.
Echte Expert:innen unterscheiden auch heutzutage von Fall zu Fall. Zum Beispiel zwischen verschiedenen Formen wie Microdosing oder Minidosing. Zufällige Erkenntnisse lassen sich jedoch nie ganz ausschließen. Die Welt steckt einfach voller Überraschungen, die uns bei vollkommen nüchterner Betrachtung verborgen bleiben.
Der norwegische Psychologe Finn Skårderud ging das Thema anders an – und landete ebenfalls beim Microdosing. Wenn den Menschen etwas fehlt, so könnte das neben gesellschaftlich hervorgerufenen Defiziten auch an natürlichen Umständen liegen, vermutete Skårderud. Manche mögen es für beschwipste Kaffeesatzleserei halten, davon ist die Welt ja inzwischen doch recht voll …
Frei nach dem Motto »Gesund ist, was kickt …«