David Lynch lernte als Junge das ländliche Amerika genau kennen, das er in seinen Filmen und Serien porträtiert. Und er war ein begeisterter Pfadfinder. Wenn man das weiß, versteht man besser, wie er die jahrelangen Dreharbeiten zu seinem Debüt ERASERHEAD durchhielt, das finanziellen DUNE-Desaster in den 1980 Jahren wegsteckte und wie es ihm gelingen konnte, den Pilotfilm des abgelehnten TV-Serien-Projekts MULHOLLAND DRIVE zum Oscar-nominierten Kino-Meisterwerk umzuschneiden. Ein Pfadfinder ist eben auch als Regisseur allzeit bereit und gibt nie auf. Heute gelten seine Filme wie, DER ELEFANTENMENSCH, WILD AT HEART, BLUE VELVET oder LOST HIGHWAY sämtlich als moderne Klassiker, mit TWIN PEAKS schrieb er Anfang der 1990er Jahre Fernsehgeschichte – dabei wird Lynchs Kosmos in der Regel die Rätselhaftigkeit und psychologische Tiefe von realen (Alb-)Träumen nachgesagt.
Lynch bevorzugt drei archetypische Figuren, die sich in wechselnder Konstellationen durch sein Werk ziehen. Die Femme Fatale entstammt Lynchs Vorliebe für den Film noir, seine männlichen Hauptfiguren sind meist Hommagen an die Antihelden vom Schlage eines Humphrey Bogart, die auf einem schmalen Grat zwischen Moral und Niedertracht balancieren. Die »Mystery Men« wiederum sind Lynchs eigene Erfindung. Traumfiguren mit mephistophelischer Manipulationsfreude und animalischer Blutlust. Natürlich wären all diese Charaktere nur Staffage ohne Lynchs begnadete Inszenierung, ohne sein von der Malerei geschultes Auge für Licht und Dunkelheit und ohne Angelo Badalamentis Score. Nach dem atemberaubenden INLAND EMPIRE kehrte er für eine Fortsetzung ins Universum von TWIN PEAKS zurück und entführte das Publikum seit 2006 authentischer denn je in seine eigene Welt – mit den täglichen WEATHER REPORT-Clips. Bei Werner Herzogs Familiendrama MY SON MY SON, WHAT HAVE YE DONE trat Lynch als Produzent in Erscheinung, akutell zeichnet er für die Serie UNRECORDED NIGHT verantwortlich.