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#5 Godard Mon Amour
F 2017, R: Michel Hazanavicius
Ein Film über einen der wohl verspieltesten Avantgardisten des Kinos? Die Versuchung ist groß, an einer solchen Aufgabe zu verzweifeln. Doch GODARD MON AMOUR möchte nicht mehr sein, als er ist, und setzt das Techtelmechtel zwischen Jean-Luc Godard und Schauspielerin Anna Wiazemsky in poppigen Bildern und lässigen Screwball-Dialogen in Szene.
Michel Hazanavicius' Komödie heißt im Original REDOUTABLE, also auf Deutsch: furchterregend oder erschreckend. Dabei ist Godard in der Verkörperung von Louis Garrel weitaus mehr als ein Enfant Terrible: mal Frauenheld, mal Tollpatsch, mal Revolutionär, dann wieder unausstehlicher Misanthrop. Kult ist nicht die Anbetung der Asche. Eher das Auf-den-Arm-Nehmen der Väter.
Nicht verpassen: Michel Hazanavicius im FFCGN-Interview
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#4 Being John Malkovich
USA 1999, R: Spike Jonze
Was war zuerst da? John Malkovich oder dieser Film? Man weiß es nicht. Ein erfolgloser Puppenspieler entdeckt ein Portal, das ihn in den Kopf des interessantesten amerikanischen Charakterdarstellers seiner Zeit führt. Der Rest ist postmoderne 90er-Jahre-Geschichte - und einer der wohl schrägsten Verschränkungen von Fiktion und Biografie, die das US-Kino hervorgebracht hat.
John Malkovich zögerte lange an der Umsetzung eines Films mitzuwirken, der ihn für immer zu entzaubern drohte. Doch obwohl man heute nicht mehr Malkovich sagen kann, ohne an BEING JOHN MALKOVICH zu denken, war seine Angst unbegründet: Diese anarchische Biopic-Antithese wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
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#3 Marie Antoinette
USA 2006, R: Sofia Coppola
Ja, Marie-Antoinette war die Frau von Ludwig XVI., eine Adelige im Versailler Luxus. Doch sie war auch ein Mädchen, das nicht frei leben durfte - ein Opfer brutaler patriarchaler Verhältnisse.
Vergesst den seltsamen Sissi-Kult, der im zeitgenössischen Kino sein Unwesen treibt: Marie rules! Lange, bevor rotzige Kaiser-Biopics zum fragwürdigen Trend werden sollten, haftete Sofia Coppolas Period Piece wirklich noch etwas Punkiges an: die Dialoge sind anachronistisch modern, die Score fetzt, und Kirsten Dunst spielt die Kaiserstocher mit einer emotionalen Differenziertheit, die sie uns trotz voluminöser Kleider in greifbare Nähe rückt. Kostümschinken? Nein, Converse und weibliche Emanzipation in the making!
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#2 I'm Not There
USA 2007, R: Todd Haynes
Bob Dylan doesnt like reporters. Der Legende zufolge parierte er das verhaltene "Mr. Dylan?" eines TV-Fritzen einst mit den Worten "He ain't here!". Auch in Todd Haynes' Meisterwerk ist der Jahrhundertmusiker Dylan nie wirklich da. Vielmehr ist seine Erscheinung konstant in flux: mal tritt er als Folk-Star auf, mal als bettelarmer Straßenjunge, mal ist er Heath Ledger, mal Richard Gere - und mal, in der grandiosen Verkörperung von Cate Blanchett, der geniale, zum Teil versnobte Dylan der späten 60er, wie ihn bereits Filme wie DON'T LOOK BACK festgehalten haben.
Zweierlei könnte man Haynes' Film vorwerfen: dass er die dunklen Seiten Dylans weitgehend ausklammert. Und dass Cate Blanchett, ihren männlichen Spielpartnern gnadenlos die Show stehlend, einen sonst sehr rhythmischen Film an manchen Stellen überbetont. Trotzdem ist I'M NOT THERE der gelungenste, vielleicht der einzig wirkliche Dylan-Film: "All I can be is me - whoever that is".
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#1 A Bigger Splash
UK 1974, R: Jack Hazan
Zugegeben, dieser magische Doku-Experimental-Hybrid (der nichts mit dem gleichnamigen Film von 2016 zu tun hat) ist kein Biopic im eigentlichen Sinn. Und doch zeigt er seinen Protagonisten besser, als es diverse Hockney-Dokus vermochten - und wahrhaftiger, als es Hockney lieb war: Angeblich bot der Maler Regisseur Kazan einst eine fünfstellige Summe an, um ihn an der Veröffentlichung von A BIGGER SPLASH zu hindern, obwohl er zuvor rege am Entstehungsprozess mitgewirkt hatte. Der Teufel steckt wie immer im Detail.
David Hockney malt das berühmte Gemälde Portrait of an Artist (Pool with Two Figures). Zwischendurch hastet er im dandyhaftem Signature-Look von Happening zu Happening, pendelt zwischen London und der goldenen Sonne Kaliforniens hin und her und wird dabei von Bildern seines Ex-Liebhabers Peter Schlesinger heimgesucht. Das Portrait des Künstlers als Schlafwandelnder. Chronique d'un été, zwischen trocknender Farbe und schönen Männerkörpern. Kazans grandioser Film taucht ein in die Emotions- und Gedankenwelt vom vielleicht poppigstem Maler Englands und fühlt sich dabei doch so leicht an wie eine laue Sommernacht: was zurückbleibt, ist ein bittersüßes Gefühl von Vergänglichkeit.
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Honorable Mentions:
AMADEUS, R: Miloš Forman
MALCOLM X, R: Spike Lee
PERSEPOLIS, R: Marjane Satrapi
AMY, R: Asif Kapadia
I SHOT ANDY WARHOL, R: Mary Harron
AMOUR FOU, R: Jessica Hausner
LIEBER THOMAS, R: Andreas Kleinert
NICO, 1988, R: Susanna Nicchiarelli
RAGING BULL, R: Martin Scorcese