Von Pontius bis Relotius – ist schon wieder… | Film Festival Cologne
Leonardo

Von Pontius bis Relotius – ist schon wieder Weihnachten?

Nachrichten wurden früher allein wegen ihres Inhalts diskutiert, heute geht es oft um die Frage, ob es sich womöglich um Fake News handelt. Ein Szenario wie gemalt für das Thema des Dokumentarfilms LOST LEONARDO. Kurz zurück: Wir schreiben die Nullerjahre, die eh für ihren Retrokult bekannt sind und aus heiterem Himmel taucht ein »Salvator Mundi« aus dem 15. Jahrhundert auf, Urheber angeblich Leonardo da Vinci, von dem nur 15 Originale in Umlauf sind. Ein Geschenk des Himmels, oder war es der kunstbeflissene Weihnachtsmann? Trotz erheblicher Zweifel, ob der Meister persönlich den Pinsel schwang, reagiert der Kunstmarkt angesichts des lost Leonardo überschwänglich.

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Ursprünglich für rund 1.000 Dollar erstanden, ist das Gemälde plötzlich 400 Millionen wert. Man fragt sich: Zeigt uns Andreas Koefoeds Doku letztlich die ganze Wahrheit über das Geschäft mit der Kunst? Ein Kritiker behauptet darin gar: Galerist:innen, Museen und Publikum wollten belogen werden. Dieses Phänomen ist älter als da Vinci. Es reicht von Pontius bis Relotius. Und die Weihnachtsgeschichte ist das beste Beispiel dafür, dass es irgendwann egal ist, ob eine Geschichte wahr ist oder falsch – nur gut muss sie sein.

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Die Geschichte des »Salvator Mundi« ist einfach zu gut, um wahr zu sein – ebenso wie die Restaurierung. Das mehrfach übermalte »Original« wurde von der Restauratorin im Stil da Vincis »wiederhergestellt«. Verfälschte sie dessen Zustand, um eine bestimmte Herkunft nahezulegen? Dass es von da Vinci stammt, ist nicht dokumentiert. Und die Provenienz eines Werkes, also seine Geschichte, gilt Expert:innen als eines der wichtigsten Kriterien für die Originalität.

Apropos: Nicht jede Restauratorin interpretiert die Arbeit so offenherzig wie die spanische Rentnerin, die vor Jahren das Kirchen-Fresko »Ecce Homo« derart herausputzte, dass man sie heute eine Künstlerin von eigenem Rang nennen muss – mit unverwechselbarer Handschrift. Und das provozierte wiederum die Crowd im Internet.

Ecce Homo

Komm schon, liebe Kunstwelt, Spaß muss sein! Dabei ist die Story rund um THE LOST LEONARDO ein echter Krimi und überlagert schnell die fehlenden Infos zum Ursprung des Gemäldes. Deshalb ist sie weniger komisch als wahrhaftig. Wäre der »Salvator« ein echter Mensch, dann weniger der Heiland, eher ein Hochstapler. Oder beides in einem Porträt. Weil er die Sehnsucht des Markts nach dem Erscheinen eines Messias so clever erfüllt.

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Im Film entpuppt sich der Hype als genialer Coup derjenigen, die ein Interesse daran haben, dass das Ding teuer unter den Hammer kommt. Merke: Unter den Bedingungen des Marktes hergestellte Bedürfnisse sind immer echt, und die Wahrheit dahinter hat auch diesmal eine gut nachvollziehbare Provenienz. Nein, nicht Bethlehem, sondern ganz simpel: das ewige Streben nach Profit.

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Und weil heute selbst ein Lügendetektor in Polizeiverhören keine hundertprozentigen Wahrheiten von Kuratoren, Galeristen und Restauratoren ans Licht brächte, stattdessen aber zahlreiche falsche Antworten aus voller Überzeugung, gilt für jede noch so irre Geschichte: die Werte müssen stimmen. Selbst wenn es sich lediglich um die physischen Werte beim Polygraphen-Test handelt.

Zu den christlichen Werten gehört jedenfalls, beim Weihnachtsfest mindestens zwei Tage lang die Geburt des Erlösers zu feiern. Dabei hat jeder ein eigenes Bild von ihm im Kopf, und keines davon ist falsch.

Wir wünschen besinnliche Tage mit dem einzig wahren, echten und originalen X-Mas-Song!